Cabriobeet
Kurzbeschreibung
Der einfachste Weg, in Wien ein Hochbeet im öffentlichen Raum zu betreiben: ein Cabrio darunter. Ein fahrtüchtiges, behördlich angemeldetes Cabrio wurde von mir mit Erde gefüllt & gemeinsam mit der Nachbarschaft zum Hochbeet umfunktioniert: Küchenkräuter für Alle statt Privatisierung zum Spottpreis! Das Cabriobeet ist ein Symbol gegen die Platzprivilegien des motorisierten Individualverkehrs in der Stadt.
Das Cabriobeet parkt seit August 2021 in Wien/Alsergrund. Wir sind gern gesehene Gäste auf Straßenfesten & Straßenblockaden. Konsequenterweise wird die Anreise schon zur weit sichtbaren Performance: Wer sein Cabrio liebt, der schiebt.
Mehr Informationen unter
www.cabriobeet.net
Aktion im Rahmen von Christoph Schwarz‘ Geldstreik 2021 – mehr Informationen dazu gibt es hier.
Die Entstehungsgeschichte des Cabriobeets wird auch ein Christoph Schwarz‘ ersten Spielfilm „Sparschwein“ nachgezeichnet. Mehr Informationen dazu hier.
Credits
Intervention in der Parkspur, Österreich 2021
Typ: Fahrtüchtiges Peugeot 306 Cabrio
jetzt mit Brennessel, Rosmarin, Blutampfer, Kaputzinerkresse
Öffnet die Parkspuren!
Christoph Schwarz im Gespräch mit Daniel Bleninger, Mai 2022
Christoph, warum habt ihr die Initiative Cabriobeet im August 2021 gestartet?
Ich war schockiert, zu welchen Schleuderpreisen in Wien der öffentlichen Raum in Form von Parkspuren verramscht wird. Während die Mietpreise explodieren, kann man mit seinem Auto bis zu 10 Quadratmeter um 10 Euro im Monat privatisieren. Einige NachbarInnen und ich hätten die Parkspuren unserer Gasse gerne klimafreundlich genützt, und aus alten Paletten gezimmerte Hochbeete aufgestellt, dafür gerne auch 10 Euro im Monat bezahlt. Das wurde uns vom Magistrat untersagt, mit der Begründung: es würde sonst eine Vielzahl an Folgeanträgen gestellt werden. Wenn man aber ein angemeldetet Cabrio unter seinem Hochbeet hat, ist das alles kein Problem und man hat innerhalb kürzester Zeit ein Kräuterbeet in der Gasse stehen, das für alle eine Freude ist.
Das Cabriobeet wurde überregional bekannt? Warum ist das so?
Es zeigt, wie vernarrt wir Menschen in Autos sind. Mir kommt oft vor, ein Auto hat den Stellenwert eines Familiemitglieds- gegen diese Liebe traut sich leider keine Partei entschieden vorzugehen. Denn Autos sind absolut ineffiziente Transportmittel: wir bewegen 2 Tonnen Stahl, um einen 80kg schweren Menschen zu transportieren, der vom Baumarkt 3kg schwere Einkäufe nach Hause holt. Wenn man also ein Statussymol wie ein Cabrio für ein Hochbeet opfert, dann ist das gleichermaßen wenig effizient, aber bekommt Aufmerksamkeit. Wir sollten aber lieber darüber sprechen, wie ungerecht der öffentliche Raum aufgeteilt ist, und dass wir anstelle der Parkplätze im großen Stil Begrünung schaffen müssen, um unsere Emissionen zu drosseln und das Leben in der Stadt erträglicher zu machen.
Welche klimafreundliche Aktivitäten könnten denn noch in der Parkspur stattfinden?
Das klingt so, als würden wir hier eine ästhetische Frage verhandeln, so in etwa: wir finden Autos hässlich, wir hätten den Platz gerne für etwas anderes. Eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in der Stadt auf ein Minimum ist ein absolutes Muss, um unsere Klimaziele zu erreichen- jedes Jahr, das wir untätig verlieren, bedeutet, dass wir eine noch krassere Notbremsung vollziehen müssen, wenn wir nachkommenden Generationen einen lebenswerten Planeten hinterlassen wollen. Das hat die Wiener Stadtregierung erkannt, und hat im Klimafahrplan festgeschrieben, den KFZ Verkehr in den nächsten 8 Jahren zu halbieren. Das Problem dabei: es gibt keinerlei Maßnahmen, wie dieses Ziel erreicht werden soll, die Stadträtin hofft auf einen Siegeszug der E-Mobilität, ohne selbst mutige Schritte setzen zu müssen. Die Politik kommt seit 30 Jahren mit leeren Versprechungen durch, was eine klimagerechte Verkehrspolitik angeht, wir möchten endlich Taten sehen.
Wie würdet ihr euch vorstellen, sollte die Politik reagieren?
Die Wiener SPÖ hat das Prinzip der induzierten Nachfrage nicht verstanden: wenn man Autobahnen baut, wird der Verkehr zunehmen. Das gleiche gilt aber auch für den Radverkehr: baut man attraktive Fahrradinfrastruktur, wir diese genützt werden. Man kann also die individuelle Mobilität der BürgerInnen ein Stück weit lenken, wenn man die Rahmenbedingungen ändert. Es gibt kein festgeschriebenes Menschenrecht auf einen Parkplatz vor der Tür. Im neunten Bezirk gibt es genug leere Tiefgaragenplätze, auf die man ausweichen könnte – nur ist das dann eben nicht so bequem, wie direkt vor der Haustür den Platz allen Anderen wegzunehmen. Hier muss sich etwas ändern! Ich sehe auf der einen Seite eine wachsende Unruhe, Menschen, die sich ein klimafreundliches Leben in der Stadt wünschen, auf der anderen Seite eine Stadtpolitik, die immer noch in Wachstums- und Mobilitätsschablonen aus dem 20. Jahrhundert denkt.
Was würdet ihr euch konkret für euer Grätzel wünschen?
Dieser Teil des Bezirks ist einer der am dichtest verbauten in der ganzen Stadt. Es gibt extrem wenig Grünflächen. Es ist nicht einzusehen, warum wir die Autos nicht in die Tiefgaragen verbannen und flächendeckend begrünen. Dazu wäre es ein geeigneter Schritt, Menschen zu ermöglichen, zu den gleichen Konditionen wie bei dem Parkpickerl ein Hocbbeet in die Parkspur zu stellen.
Was haltet ihr von der Möglichkeit einer Grätzeloase, wo ganz legal Parkplätze als „Parklets“ in einen Begegnungsraum umgewandelt werden können?
Die Grätzeloasen sind tolle Orte! Allerdings ist der Realisierung so aufwändig, dass man als Einzelperson überfordert ist, wohl immer ein Verein oder eine Bürgerinitiative dahinter stehen muss: eine Abtrennung zur Fahrbahn und zum Boden ist vorgeschrieben. Es sollte viel unbürokratischer und einfacher gehen, ein Hochbeet in die Parkspur zu stellen – genauso einfach, wie ein Auto. In unserem Fall ist ein Parklet sogar unmöglich: wir wohnen direkt am Gürtel, dh die Möglichkeit, es direkt vor dem eigenen Haus aufzustellen, entfällt.