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„Video als Medium, autofiktive Versuchsanordnungen als Inhalt, selbsterfüllende Prophezeiungen als Methode, das Kino als idealer Rezeptionsraum. “ (Daniel Bleninger)

„Wenn mich wer fragt, was für Kunst ich mache, lüge ich irgendetwas daher. Wenn das dann rauskommt, sage ich, das ist eben die Kunst, das Lügen.“ (Christoph Schwarz)

Den Bildern misstrauen
Gespräch zwischen Christoph Schwarz und Daniel Bleninger
Katalogtext Oktober 2017

Christoph, Du verstehst dich als Medienkünstler und Filmemacher- wieso macht man überhaupt einen gedruckten Katalog, wenn man dem Bewegtbild so verhaftet ist? Ist das eine gute Einstiegsfrage?

Eine vollkommen berechtigte Frage! Dafür möchte ich gerne zwei Aspekte anführen: Als Medienkünstler vergessen wir oft darauf, alle Sinne anzusprechen. Menschen wollen sich aber gerne wo anhalten, und an diesem Katalog kann man sich hervorragend anhalten. Man kann im Foyer von einem Kino oder in einer Ausstellung herumstehen, und als Überbrückungshandlung diesen Katalog zur Hand nehmen, das macht auch einen kultivierteren Eindruck als das ewige Rumwischen am Smartphone. Andererseits sind meine künstlerischen Projekte der letzten Jahre sehr geprägt davon gewesen, dass ich praktisch alle Positionen innerhalb einer Filmproduktion selbst eingenommen habe, bis hin zum Verfassen der Pressetexte. Dafür hat es sich in der Filmauswertung eingebürgert, dass befreundete Theoretikerinnen und Kuratoren einen Blick von außen auf die Filme geworfen haben- diese interpretierenden Texte sind hier versammelt. Nennen wir das ganze doch einfach „Reader“ und nicht Katalog! Außerdem ist jeder Videoarbeit ein Link mit Passwort beigefügt, mit dem man sich die Filme in Ruhe ansehen kann.

Du hast die letzten Jahre fast nur mit der Produktion von Kurzfilmen verbracht, die zumeist dem selben Schema folgen. Wieso dieser Fokus?

Einerseits muß ich ehrlich gestehen, dass mir das Kino- und Festivalsetting gerade viel mehr Freude bereitet als Ausstellungen. Die Konzentration des Publikums ist eine ganz andere und Filme bleiben länger rezipierbar als zB Installationen. Deswegen sind meine ursprünglich installativ zu verstehenden Kurzfilme von Jahr zu Jahr länger geworden. Was als 11-minütige Fahrt am ferngesteuerten Containerschiff in Supercargo (2010) als Initialzündung begonnen hat, ist sieben Jahre später in CSL, einem 35-minütigen Film über die „Christoph-Schwarz-Loge“ kulminiert. Für mich war diese Serie von 10 Kurzfilmen so wie ein Fortsetzungsroman, jeder Film hat neue Ideen hervorgebracht, was dazu führte, dass ich teilweise auch an mehreren Filmen gleichzeitig arbeitete.

Ich habe bei diesem Kurzfilmzyklus stark das Gefühl, dass die Filme sich ergänzen, und dass es einen Mehrwert mit sich bringt, wenn man alle gesehen hat. War das von Anfang an das Konzept?

Nein, das hat sich ziemlich intuitiv entwickelt. Ich mag gerne Querverweise zwischen künstlerischen Arbeiten jeder Gattung, und wenn eine prinzipiell leicht konsumierbare Kunstform wie der narrative Kurzfilm eine Spur verrätselt daherkommt und das Publikum ständig gefordert ist, alle bisher gehörten Fakten neu bewerten zu müssen, und dabei auch die Werkgrenzen überschritten werden, dann habe ich eine kindliche Freude daran. Am allerstärksten ist diese Überschneidung bei meinen letzten drei Kurzfilmen erfolgt: CSL, LDAE und Ibiza stehen in einem „Referenzdreieck“ zueinander- was ich während der Produktion recht bald gemerkt hatte und dann schon ziemlich strategisch mitgedacht hatte.

Inhaltlich könnte man ebenfalls eine Dreieckskonstruktion erkennen: die drei Eckpunkte Selbstreferenz, Identität, Wahrheit/Lüge sind in ausnahmslos allen Filmen allgegenwärtig. Kannst Du deine Faszination zu diesen Themen umreißen?

Ich habe bald nach dem Diplom an der Kunstuni intuitiv begonnen, mich selbst als Akteur in den künstlerischen Prozess einzubringen. Dabei ging es mir gar nicht um Selbstdarstellung oder um eine Entwicklung hin zur Performance und einen Livemoment, sondern eher um Ehrlichkeit. Was soll denn mein künstlerisches Material sein, wenn nicht ich selbst? Ich versuche also eigentlich in meiner Kunst immer sehr ehrlich zu sein- und dann werden ein paar Parameter an einer Geschichte, an einem Setting verändert und ich lasse Ideen zu, die nicht der Wahrheit entsprechen, aber durchaus wahr sein könnten. Ideen und Gedanken, die ab dem Moment, wo sie ausgesprochen sind, durchaus die Möglichkeit haben, wahr zu werden. Und die Selbstbezüglichkeit hat ja auch ganz stark mit Ehrlichkeit zu tun. Wenn ORFIII eine „Artist-in-Residence“ Programmschiene ausschreibt, ist es für mich ein ehrlicher Ansatz zu sagen, ich nehme das wörtlich und mache genau das, was draufsteht: ich ziehe mit Sack und Pack am Küniglberg ein und bin der „embedded artist“ der ein Fernsehkunstwerk schafft (Der Sender schläft, 2013, 25min). Diese ehrliche Reaktion auf ein von außen an mich herangetragenes Projekt ist ganz oft zu finden, ebenso wie die Konstruktion des Film-im-Films. Oft wurden meine Filme auch als „Videotagebuch“ definiert, wo ebenfalls deine drei Punkte zum Tragen kommen: Selbstreflektion um die eigenen Identität besser zu verstehen, und dabei lügt man sich natürlich ein Stück weit selbst an.

Du hast vor einigen Jahren mal gemeint, dass deine Lügen realistisch wären. Was bedeutet das genau?

„Fake it till you become it“ als Credo! Realistische Lügen sind eben diese erwähnten Gedanken, die durchaus das Potential haben, wahr zu werden. Jetzt könnten wir gut darüber nachdenken, ob eine Lüge, die zur Wahrheit wird, dann noch immer eine Lüge ist (lacht). Wenn ich von außen auf die Projekte der letzten Jahre blicke, merke ich, dass in den Geschichten, die ich erzähle, viel gelogen wird, und dabei das Lügen aber auch auf einer inhaltlichen Ebene thematisiert wird. Wenn wir in Supercargo (2015) davon sprechen, dass die Cargokulte in Melanesien vielleicht auch nur Fake sind, wenn wir Renfah und seinen Freunden in Beingwhale dabei zuschauen, wie sie eine Mockumentary über den toten Wal am Markusplatz drehen wollen, wenn die beiden Protagonisten in Ibiza den Gartenbasin zur mediterranen Poolparty umfunktionieren, dann sind das immer Fakes, die für das Publikum als Fakes aber klar ersichtlich sind- ich hole das Publikum mit ins Boot, und wir alle gemeinsam haben scheinbar eine Freude daran, Mitwisser einer Lüge zu sein. Umgekehrt kann einem das natürlich auch auf den Kopf fallen: für mich ist mein letzter Film CSL eigentlich einer meiner dokumentarischsten Filme überhaupt, aber ich glaube, dass viele Wahrheiten darin vom Publikum gar nicht mehr als solche erkannt werden.

Wenn Du auf Festivals in der Dokumentarfilmschiene läufst, fühlt sich das gut an?

Natürlich wissen wir seit vielen Jahren, dass „Film“ im Wort Dokumentarfilm groß geschrieben wird, es handelt sich um einen künstlich hergestellten Ausschnitt, durch den die Welt betrachtet wird. Aber das Versprechen, dass es sich hierbei um die Wahrheit handelt, hat eine enorme Kraft. Gepaart mit der Kraft eines Offtexts aus der ersten Person Singular ist die Grundspannung beim Rezipienten ungemein hoch- insoferne finde ich den Dokumentarfilmkontext gut. Ich möchte ja beim Filmemachen viel eher mit Experimentieranordnungen arbeiten, in denen jedes Ergebnis verwendet wird, ich drehe selten viele Takes, ich arbeite ohne extra Licht, das alles hat schon einen dokumentarischen Ansatz. Was dagegen spricht, ist der unterhaltende Anspruch, der sich dann spießen kann mit anderen Dokumentarfilmen. Vielleicht werden deswegen meine Filme gerne als letzter Film in einer Reihe programmiert, weil man danach nichts mehr glauben kann. Oder weil die Luft nach so viel Gequatsche einfach draußen ist.

Mir ist bei der Durchsicht deiner Projekte, auch abseits des Kurzfilmzyklus, aufgefallen, dass dein Fokus ganz stark auf der Tonebene liegt. Du hast Visuelle Mediengestaltung studiert, aber interessierst dich offensichtlich weniger für die visuelle als die auditive Ebene. Stimmt das?

Das stimmt- die Bilder sind zwar das Material, aber die Textebene gibt den Kontext und den Bildern erst ihre Bedeutung. Mir geht es meistens um die Geschichten, die Inhalte. Den Bildern, den Oberflächen, misstraue ich eher. Dieses Misstrauen ist insoferne auch gesund, weil ich nicht mit viel ästhetischen Empfinden ausgestattet bin, das heißt, mich gar nicht zu sehr mit den Bildern beschäftigen mag, weil ich daran scheitern würde. Es ist paradox- man arbeitet die ganze Zeit mit einer Kamera, weiß aber, dass die Textebene und die Metaebene viel wichtiger ist. Trotzdem bin ich über das visuelle Handwerk des Videomachens zur Kunst gekommen, und nicht über den Text oder den Sound.

Wie könnte es denn jetzt weitergehen? Du hast mehrfach betont, dass dieser Kurzfilmzyklus nun abgeschlossen ist. Warum ist das eigentlich so? Bleibst du dem Kino treu und wagst Du dich an einen Langfilm, oder geht es stärker zurück in den Austellungskontext?

Ich habe einerseits stark davon profitiert, nach einem gewissen Schema arbeiten zu dürfen, wo ich mein Format nicht mit jeder Arbeit neu definieren musste. Ich habe meine Dogmen, also zB die unbewegte Kamera, der Fokus auf den Offtext und wenig gestalterischen Eingriff in die Bilder, nicht als Beschränkung sondern eher als Konzentration und Erleichterung empfunden. Jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich merke, dass ich mich stark wiederhole und in der selbstreferentiellen Feedbackschleife hänge. Ich bin aber nach wie vor sehr von den Möglichkeiten des Kinos begeistert- und möchte gerne an Konzepten arbeiten, wie man den Kinoraum erweitern kann, wie man Formate wie die Lecture Performance und Livemusik im Kino mit meinen Geschichten kreuzen kann. Also nicht zurück in den Ausstellungskontext, sondern eher den Kunstkontext ins Kino überführen! Es ist ja nicht gesagt, dass Medienkunst immer nur im Ausstellungskontext passieren muss.

Als letzte Frage muß ich mich natürlich auch noch nach der ARGE Schwarz erkundigen. Ich merke, dass seit deiner Videoarbeit „Betriebsversammlung“ in vielen Publikumsgesprächen mit Dir auf deine intrapersonelle Arbeitsgemeinschaft referenziert wird. Das ist ein guter Eisbrecher, oder? Wie ist es derzeit um die ARGE bestellt?

Ja, mit diesem Modell der intrapersonellen Arbeitsgemeinschaft kann jeder sofort was anfangen. Ich finde das ja auch sehr toll, wenn andere Menschen auch darüber nachzudenken beginnen, wie sie die unterschiedlichen Muster und Rollen, die in uns drinnen stecken, externalisieren könnten. Und weil das Konzept der ARGE ja recht geradlinig seit mittlerweile 10 Jahren verfolgt wird, merkt die Außenwelt wohl auch, dass es sich dabei nicht um ein Witzprojekt handelt, sondern um ein ernst gemeintes Überlebensmodell für die psychische Gesundheit. Aktuell muss man konstatieren, dass eine Entwicklung, die seit Anfang an da war, nicht mehr aufzuhalten ist: Die singuläre Belastung Christian Schwabs, den Großteil der Umsätze der ARGE lukrieren zu müssen, macht diesen immer unrunder. Wir müssen uns wohl oder übel viel stärker darum kümmern, unsere Kunst zu monetarisieren, sonst flippt uns Christian aus. Oh je, kann man das als Schlußsatz stehen lassen? (lacht) Weißt Du was, lass das einfach so drinnen, das ist so deppert, lass es einfach genau so stehen!

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