Die beste Stadt ist keine Stadt
Kurzbeschreibung
Ein junger Mann, der auf einem verrosteten Hangar sitzt und Gitarre spielt. Eine verlassene Holzkirche, die nicht mehr gebraucht wird und als kulturelle Zwischennutzung an den Rand der wachsenden Stadt übersiedelt. Kindergartenkinder, die im Sesselkreis erzählen, was sie gerade nicht machen. Christoph Schwarz vermischt in seinem Essayfilm „Die beste Stadt ist keine Stadt“ multiple Perspektiven auf das größte Stadterweiterungsgebiet Wiens. Gemein ist ihnen sentimentale Wachstumskritik und romantische Fortschrittsverweigerung im Angesicht des drohenden ökologischen Kollaps, der uns glaubwürdiger erscheint als jedes Happy End. (Daniel Bleninger)
Österreichischer Kurzfilmpreis bei den Vienna Shorts 2020
„A film about a moving 15,000-piece church and a newly built empty city where human beings can only take the form of either ghosts or masses. The singularity and peculiarity of human nature are gone forever in the notes of this building site’s soundtrack. Replacing of school children’s games are empty underground parking lots, “slow traffic” safety zones and reminiscences of holiday places on the Upper Adriatic Sea. This documentary essay poses a reasoned critique of late capitalism, depicting it with the forms of an architectural dystopia on the outskirts of Vienna, where so-called progress cancels out the past and the peculiarity of a place and its former inhabitants without any plausible reason. That said, “only when things have disappeared can they be missed.” (Jurystatement Austrian Short Film Award 2020)
Credits
Österreich 2019
Dauer: 15min – Format: DCP
Offstimme Natalie Kuzmich
Buch & Regie & Schnitt
Christoph Schwarz
Sounddesign Matthias Peyker
Mastering Matthias Ermert
Farbkorrektur Kevin Ferdinandus / ZONE Media
die Notgalerie ist ein Projekt von
Reinhold Zisser
Ausstellungsbeiträge & Installationen
Oscar Cueto & Manuela Picallo Gil
Bartosz Dolhun
Matej Frank
Robin Klengel & Leonhard Müllner
Alfred Lenz
Andrea Lüth & Gerald Rossbacher
Silke Maier-Gamauf & Romana Hagyo
Siegfried Zaworka
gefördert von
Stadt Wien MA7
Land Kärnten
KÖR Kunst im öffentlichen Raum
Presskit
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„Die beste Stadt ist keine Stadt“
Gespräch zwischen Daniel Bleninger und Christoph Schwarz / September 2019
Christoph, wie schon in vielen deiner früheren Essayfilmen arbeitest Du mit einer Offstimme aus der Ich-Perspektive. Allerdings ist es oft nicht ganz klar, wer da jetzt zu wem spricht- kannst Du das ein wenig aufklären?
Im Prinzip verschwimmen die beiden Sichtweisen von Reinhold Zisser auf die Notgalerie und meine auf das benachbarte Stadterweiterungsgebiet Seestadt Aspern, bzw gibt es Fragmente, in denen weitergefasst über falsch verstandene Nachhaltigkeit und Wachstumszwänge nachgedacht wird, und es egal ist, wer hier spricht. Als Textform hatte ich immer an transkribierte Interviews gedacht, die in dieser Form zwar nicht stattgefunden haben, da ich die Geschichten von Reinhold ja schon oft gehört habe, bzw auch seit einigen Jahren die Notgalerie als beteiligter Künstler begleite. Und mich selbst muss ich ja nicht interviewen. (lacht)
Warum werden die Namen „Notgalerie“ und „Seestadt Aspern“ nie explizit genannt?
Aus unterschiedlichen Gründen. Ich wollte nicht, dass es für ein Publikum außerhalb der Wiener Kunstszene sofort klar ist, dass es sich bei der Holzkirche um einen Ausstellungsraum handelt, in dem größtenteils bildende KünstlerInnen Projekte realisieren. Ich wollte, dass man immer noch an die ehemalige Kirche denken kann, wenn man Bilder von Rauminstallationen sieht. Oder, dass man auf den Gedanken kommen könnte, dass die Installationen assoziativ zu den Texten entstanden sind. Das ist ja eine wiederkehrende Methode bei meinen künstlerischen Arbeiten, dokumentarische Bilder zu fiktionalisieren. Bei den Textblöcken über die Seestadt wollte ich all meine Gedanken zu Stadterweiterung weitergefasst verstanden wissen- in keinem Fall als eine Kritik an einem konkreten Projekt, das fände ich eine Spur zu einfach, ich fühle mich nicht berufen, architekturtheoretisch oder städteplanerisch fundierte Kritik zu üben.
Weil Du von dokumentarischen Bildern die fiktionalisiert werden sprichst: in wieweit arbeitest Du in diesem Film mit erfundenem Material?
Auch wenn der Film oft etwas märchenhaft Unkonkretes hat und fiktionalisiert wirkt, ist praktisch alles dokumentarisch erarbeitet und nur aus seinem jeweiligen Kontext gelöst. Ich möchte den Film als Anstoß zu einer Diskussion über die Notwendigkeit von Wachstum und Fortschrittsgläubigkeit verstanden wissen, der einige provokante Thesen herausarbeitet, über die man nachdenken kann: Wieso kümmert man sich nicht einmal um den enormen langfristigen Wohnungsleerstand, bevor man neue Bauprojekte subventioniert? Woher kommt diese grundsätzliche Idee, dass eine Stadt, die etwas auf sich hält, wachsen muss? Wie kommt man auf die Idee, das Konsum jemals nachhaltig sein kann und dass wir zB mit Elektroautos alle Probleme lösen? Das sind ganz basale Überlegungen, die überhaupt nichts damit zu tun haben, ob die Seestadt Aspern aus meiner Sicht ein gelungenes Stadterweiterungsgebiet ist, oder nicht.
Wie kam es dazu, dass Du diese beiden Erzählstränge, das Stadterweiterungsgebiet und die Notgalerie, zusammengespannt hast?
Seit dem die Notgalerie am nördlichen Ende der Seestadt steht, haben sich diese beiden Stränge ganz natürlich ergeben. Die Notgalerie muss sich ja seit 2 Jahren mit der eigenen Endlichkeit an diesem Platz außeinandersetzen, blickt auf die wachsende Stadt und wird permanent mit dem sie umgebenden Raum in Bezug gebracht. Für mich war diese wunderbar aus der Zeit gefallene Holzkirche, die niemand mehr brauchte, ein Auslöser, um über das Verschwinden nachzudenken, über den Fortschritt. Für mich ist Zeit ein sehr starker Faktor in der künstlerischen Praxis, und ich rechne damit, dass der Film eine ganz andere Kraft entwickelt, wenn dann wirklich der BIPA an der Stelle der Notgalerie steht.